Inhalt

SG München, Beschluss v. 04.09.2020 – S 28 KA 144/20
Titel:

Örtliche Unzuständigkeit im Zusammenhang mit einem Sachkostenerstattungsanspruch

Normenketten:
SGG § 57 Abs. 2, § 57a Abs. 1, Abs. 2, § 98 S. 2
GVG § 17a Abs. 2
BMV-Ä § 44 Abs. 6
Leitsatz:
„Bei der Frage der örtlichen Zuständigkeit gem. § 57a Abs. 2 SGG ist auf den Bezirk derjenigen Kassenärztlichen Vereinigung abzustellen, mit dem die Vertragsarztangelegenheit in räumlicher Verbindung steht; auf eine etwaige Abtretung kommt es nicht an.“ (Rn. 6)
Schlagworte:
Vertragszahnarzt, Kassenärztliche Vereinigung, Zessionar, Örtliche Zuständigkeit
Fundstelle:
BeckRS 2020, 22628

Tenor

I. Das Sozialgericht München erklärt sich für örtlich unzuständig und verweist den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Sozialgericht Mainz.
II. Dieser Beschluss ist gemäß § 98 Satz 2 SGG i.V.m. § 17a Abs. 2 GVG unanfechtbar.

Gründe

1
Bei dem geltend gemachten Sachkostenerstattungsanspruch gem. § 44 Abs. 6 BMV-Ä handelt es sich um einen (abgetretenen) Anspruch aus dem Bereich des Vertragsarztrechts (vgl. auch BSG, Urteil vom 15.08.2012, Az. B 6 KA 34/11 R).
2
Gem. § 57a Abs. 1 SGG ist in Vertragsarztangelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn es sich um Fragen der Zulassung oder Ermächtigung nach Vertragsarztrecht handelt, das Sozialgericht zuständig, in dessen Bezirk der Vertragsarzt, der Vertragszahnarzt oder der Psychotherapeut seinen Sitz hat. Gem. § 57a Abs. 2 SGG ist in anderen Vertragsarztangelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung das Sozialgericht zuständig, in dessen Bezirk die Kassenärztliche Vereinigung oder die Kassenzahnärztliche Vereinigung ihren Sitz hat.
3
Im streitgegenständlichen Fall handelt es sich um eine „andere Vertragsarztangelegenheit“ i.S.d. § 57a Abs. 2 SGG; eine Fallgestaltung des § 57a Abs. 3, 4 SGG liegt nicht vor.
4
Im Rahmen des § 57 Abs. 2 SGG kommt es auf den Sitz der zuständigen Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung an, unabhängig davon, ob sie am Rechtsstreit beteiligt ist (Wolff-Dellen in: Fichte/Jüttner, SGG, 3. Auflage 2020, § 57a Rn. 7). Maßgebend ist der Sitz derjenigen Kassenärztlichen Vereinigung, in deren Bezirk das Verwaltungsgeschehen, das Verwaltungshandeln, stattfindet oder stattfinden soll, das Gegenstand des Rechtsstreits ist (Hommel in: Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, Stand Januar 2020, § 57a Rn. 20).
5
Dagegen vertritt die Klägerin die Auffassung, dass das Privileg des Klägers aus § 57 Abs. 1 Satz 1 SGG, an seinem Sitz klagen zu dürfen, durch die Ausnahmeregel des § 57a Abs. 2 SGG nur insoweit eingeschränkt werde, als dies nötig sei, um eine der Komplexität des Vertragsarztrechts angemessene und einheitliche Rechtsprechung zu erreichen. Nur dann, wenn in dem Bezirk des nach § 57 Abs. 1 Satz 1 SGG grundsätzlich für den Kläger zuständigen Sozialgerichts nicht zugleich der Sitz der Kassenärztlichen Vereinigung sei, weise § 57a Abs. 2 SGG die Zuständigkeit demjenigen Sozialgericht zu, in dessen Bezirk die Kassenärztliche Vereinigung ihren Sitz habe.
6
Dieser rechtlichen Einschätzung folgt das Gericht nicht. Denn die Vorschrift des § 57a SGG stellt eine Sonderregelung zur Grundregelung des § 57 SGG dar (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, § 57 Rn. 1b, § 57a Rn. 1a), so dass § 57 SGG bei einem der Fälle des § 57a Abs. 1 bis 4 SGG (überhaupt) nicht zur Anwendung kommt. Bezugspunkt für die Frage, auf den Sitz welcher Kassenärztlichen Vereinigung es ankommt, kann daher nicht der klägerische Sitz bzw. Wohnort sein. § 57a Abs. 1 bis 4 SGG knüpft an „räumliche Bezüge an, die sich am Streitgegenstand orientieren, von ihm jedenfalls in gewisser Weise bestimmt werden“ (Hommel, ebenda, § 57a Rn. 3). Abzustellen ist daher richtigerweise auf den Bezirk derjenigen Kassenärztlichen Vereinigung, mit dem die Vertragsarztangelegenheit in räumlicher Verbindung steht. Andernfalls könnte es in „anderen Vertragsarztangelegenheiten“, in denen ein abgetretener Anspruch gegen eine Kassenärztliche Vereinigung geltend gemacht wird, zu dem widersprüchlichen Ergebnis kommen, dass bei der Bestimmung der örtlichen sozialgerichtlichen Zuständigkeit nicht auf den Sitz der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung, sondern auf den Sitz einer anderen unbeteiligten Kassenärztlichen Vereinigung, in deren Bezirk der klagende Zessionar seinen Sitz hat, abzustellen wäre.
7
Die der Klage zugrundeliegende ambulante Implantation des Rückenmarkstimulationssystems, für das der an die Klägerin abgetretene Sachkostenerstattungsanspruch geltend gemacht wird, erfolgte durch das in Rheinland-Pfalz zugelassene MVZ C. Folglich ist auf den Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz abzustellen, deren Sitz in Mainz ist.
8
Die Beklagte hat sich mit der Verweisung einverstanden erklärt.
9
Der Rechtsstreit war daher gem. § 98 Satz 1 SGG i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG zu verweisen.