Inhalt

VGH München, Beschluss v. 19.05.2020 – 21 ZB 16.540
Titel:

Widerruf der Approbation als Arzt

Normenketten:
BÄO § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 2 S. 1
KWG § 54 Abs. 1 Nr. 2
GKG § 47, § 52 Abs. 1
Leitsatz:
Die Approbation ist wegen Unwürdigkeit zu widerrufen, wenn ein Arzt wegen vorsätzlichen unerlaubten Betreibens von Bankgeschäften mit der Folge hoher Vermögensschäden (auch) seiner Patienten zu einer Freiheitsstafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt wurde.  (Rn. 13 und 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Berufsrecht der Ärzte, Widerruf der Approbation als Arzt, Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs, Verurteilung wegen des Erbringens von Bankgeschäften (Finanzdienstleistungen) ohne die erforderliche Erlaubnis, Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung, Approbation, Arzt, Berufung, Freiheitsstrafe, Heilbehandlung, Schaden, Strafzumessung, Unwürdigkeit
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 03.12.2015 – M 16 K 14.2693
Fundstelle:
BeckRS 2020, 10070

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 30.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Approbation als Arzt.
2
Das Landgericht … verurteilte den Kläger mit rechtskräftigem Urteil vom 9. Januar 2014 wegen vorsätzlichen unerlaubten Betreibens von Bankgeschäften (§ 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
3
Der Verurteilung lag nach dem Inhalt des Strafurteils im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger kam im Jahr 2003 in Kontakt mit einem Herrn E. und einem Herrn B., die Vertreter der Firmen … AG und … AG mit Sitz in der Schweiz waren. Diese Firmen boten Geldanlagen mit erheblichen Renditen an. Dem Kläger wurden die Geldanlagen als völlig sicher dargestellt. Der Kläger glaubte den Versprechungen der Herren E. und B. und stellte der … AG bis zum Jahr 2010 insgesamt etwa 3.500.000 Euro bei Zinssätzen zwischen 15 v.H und 20 v.H. darlehensweise zur Verfügung. Von diesem Geld stammten etwa 2.000.000 Euro aus dem Vermögen des Klägers, die verbleibenden 1.500.000 Euro hatte der Kläger im Zeitraum von Oktober 2005 bis September 2010 von Bekannten und von Patienten zur Verfügung gestellt bekommen. Der Kläger hatte diesem Personenkreis von seinen Geldanlagen erzählt und bot ihm die Möglichkeit, sich daran zu beteiligen. Der Kläger sammelte jeweils Geld bis zu einem bestimmten Betrag an, verbrachte es mit seinem Privatflugzeug in die Schweiz und übergab es bar Herrn E.. Über die Hingabe des Geldes wurde jeweils ein Darlehensvertrag geschlossen, mit dem sich die … AG zur Rückzahlung des Kapitals einschließlich Zinsen binnen eines bestimmten Zeitraums verpflichtete. Eine Trennung zwischen eigenen Geldern des Klägers und dem Geld der Patienten und Bekannten fand dabei nicht statt. Der Kläger hatte seinen Anlegern zugesagt, dass das Kapital sicher zurückbezahlt werde und gab als Sicherheit hierfür auf Wunsch auch persönliche Bürgschaften ab. Die vom Kläger seinen Anlegern versprochenen Zinsen bewegten sich zwischen 10 v.H. und 12 v.H.. Die Differenz zu den dem Kläger versprochenen Zinssätzen zwischen 15 v.H. und 20 v.H. sollten der Gewinn des Klägers sein. Das Anlagesystem war auf Betrug aufgebaut. Die vom Kläger in die Schweiz verbrachten Gelder wurden nicht investiert, sondern von Herrn E. und Herrn B. für eigene Zwecke verbraucht. Nachdem das aufgedeckt worden war, wurde der Kläger zumindest teilweise von seinen Anlegern aus von ihm abgegebenen Bürgschaften und Schuldversprechen in Anspruch genommen, was zu seiner Privatinsolvenz führte.
4
Mit Bescheid vom 22. Mai 2014 widerrief die Regierung von … die Approbation des Klägers als Arzt wegen Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs.
5
Das Verwaltungsgericht München hat die Klage mit Urteil vom 3. Dezember 2015 abgewiesen.
6
Der Kläger hat gegen das am 16. Februar 2016 zugestellte Urteil am 8. März 2016 die Zulassung der Berufung beantragen lassen.
II.
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1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
8
Das von dem Kläger innerhalb der Begründungsfrist Dargelegte, auf dessen Prüfung der Senat im Grundsatz beschränkt ist, rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung. Der allein geltende gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.
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1.1 Der Klägerbevollmächtigte wendet ein, der Widerruf der Approbation stelle einen schwerwiegenden Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleistete Freiheit der Berufswahl dar und sei nur zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter statthaft. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts sei unbillig, weil sich das strafrechtlich relevante Verhalten des Klägers nicht gegen Güter des Gemeinwohls gerichtet habe und somit der Ausschluss des Klägers von der weiteren Berufsausübung nicht der bezweckten Abwehr von Gefahren für die Allgemeinheit diene. Dem Kläger sei zugute zu halten, dass er mit seinem Verhalten bei seinen Bekannten und - vereinzelt - Patienten nicht vorsätzlich einen Schaden habe verursachen wollen. Vielmehr sei er selbst auf das betrügerische Modell hereingefallen, wodurch er selbst einen hohen finanziellen Schaden erlitten habe. So sei ihm nur der Tatbestand des unerlaubten Betreibens von Bankgeschäften vorgeworfen worden. Das rechtfertige aber nicht eine so einschneidende Maßnahme wie den Entzug der Approbation, zumal die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden sei, am unteren Ende der Strafzumessung anzusiedeln sei.
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1.2 Das gibt keinen Anlass, ernstlich an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Feststellung zu zweifeln, dass nach der im Zeitpunkt des Bescheidserlasses maßgebenden Sach- und Rechtslage die dem Kläger erteilte Approbation als Arzt gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 BÄO (zwingend) zu widerrufen war, weil er sich eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergibt, und so nachträglich die für die Erteilung der Approbation nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO erforderliche Voraussetzung weggefallen ist.
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1.2.1 Der Klägerbevollmächtigte verweist zu Recht darauf, dass der Widerruf der ärztlichen Approbation besonders schwer in die Berufsfreiheit eingreift und deshalb nur zum Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter zulässig ist. Allerdings ist diese Anforderung erfüllt. Dabei kommt es entgegen dem Zulassungsvorbringen nicht darauf an, ob das dem Strafurteil zugrunde liegende Verhalten des Klägers gegen Güter des Gemeinwohls gerichtet war. Maßgebend ist der mit dem Widerruf der Approbation wegen Unwürdigkeit verfolgte Zweck, das Ansehen der Ärzteschaft in den Augen der Öffentlichkeit zu schützen, um das für jede Heilbehandlung unabdingbare Vertrauen der Patienten in die Integrität der Personen aufrecht zu erhalten, denen mit der Approbation die staatliche Erlaubnis zur selbständigen Ausübung der Heilkunde verliehen ist und in deren Behandlung sich die Patienten begeben. Dieses Vertrauen würde durch eine fortdauernde Berufstätigkeit von Ärzten zerstört, die ein Fehlverhalten gezeigt haben, das mit dem Berufsbild und den allgemeinen Vorstellungen von der Persönlichkeit eines Arztes schlechthin nicht zu vereinbaren ist. Mit dem Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient untrennbar verbunden ist das Schutzgut der Volksgesundheit, die ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut ist (vgl. BVerwG, B. v.31.7.2019 - 3 B 7.18 - juris Rn. 12).
12
1.2.2 Der Widerruf der dem Kläger erteilten ärztlichen Approbation ist, anders als der Klägerbevollmächtigte meint, auch unter Berücksichtigung der Schwere des Eingriffs in die Berufswahlfreiheit nicht unverhältnismäßig.
13
Das Verwaltungsgericht hat insoweit zutreffend dargelegt, dass die Auslegung des Begriffs der Berufsunwürdigkeit im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs an hohe Voraussetzungen geknüpft ist, und weiter ausgeführt: Im Sinn von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO sei ein Arzt unwürdig, wenn er durch sein Verhalten nicht mehr das Vertrauen besitze, das für die Ausübung seines Berufs unabdingbar nötig sei. Das setze ein schwerwiegendes Fehlverhalten des Arztes voraus, welches bei Würdigung aller Umstände seine weitere Berufsausübung untragbar erscheinen lasse (UA S. 11). Die für die ärztliche Tätigkeit unverzichtbare Vertrauensbasis sei durch die vom Kläger auch in seiner Eigenschaft als Arzt begangene Straftat des vorsätzlichen unerlaubten Betreibens von Bankgeschäften mit der Folge hoher Vermögensschäden (auch) seiner Patienten als zerstört anzusehen. Zu berücksichtigen sei dabei auch, dass sich die Bankgeschäfte über einen langen Zeitraum erstreckt hätten und insgesamt eine sehr hohe Geldsumme umfasst hätten. Der Kläger habe in seiner Eigenschaft als Arzt die Geldanlage bei ihm als risikolos dargestellt, was tatsächlich nicht der Fall gewesen sei. Seine Anleger hätten ihm diesbezüglich Vertrauen entgegengebracht, zumal sie erhebliche Geldsummen für die Anlage eingesetzt hätten. Der Kläger habe überdies (auch) mit der Absicht gehandelt, für sich einen finanziellen Gewinn zu erzielen, und sei deswegen zu einer nicht geringfügigen Haftstrafe verurteilt worden (UA S. 16 f.).
14
Das Zulassungsvorbringen ist nicht geeignet, diese vom Inhalt des Strafurteils und der beigezogenen Behördenakten getragene Bewertung ernstlich in Zweifel zu ziehen.
15
Der Umstand, dass der Kläger selbst durch das von ihm gewählte (betrügerische) Anlagemodell einen hohen finanziellen Schaden erlitten hat, mildert ersichtlich nicht die gravierenden Folgen seines strafbaren Verhaltens für die geschädigten Patienten und übrigen Anleger. Der hohe Eigenschaden des Klägers ist aber auch nicht geeignet, darüber hinwegzutäuschen, dass der Kläger ein Verhalten gezeigt hat, das mit dem Berufsbild eines vorrangig am Wohl der Patienten orientierten Arztes nicht vereinbar ist. Der Kläger warb nach den der Strafakte entnommenen, unwidersprochen gebliebenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts in den Räumen seiner Arztpraxis für das von ihm gewählte Anlagemodell. Er erwartete durch die Beteiligung Dritter aufgrund der dadurch jeweils höheren Anlagesumme für sich einen beträchtlichen finanziellen Vorteil. Während ihm in Abhängigkeit von der Höhe der Geldanlage Zinsen zwischen 15 v.H. und 20 v.H. versprochen waren, vereinbarte der Kläger mit seinen Anlegern lediglich eine Verzinsung zwischen 10 v.H. und 12 v.H.. Die Zinsdifferenz sollte sein (zusätzlicher) Gewinn sein. Das Gewinnstreben des Klägers ging so weit, dass er sich wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt (UA S. 14), über § 3 Abs. 2 der Berufsordnung für die Ärzte Bayern hinwegsetzte, wonach es dem Arzt unter anderem untersagt ist, im Zusammenhang mit der Ausübung seiner ärztlichen Tätigkeit gewerbliche Dienstleistungen zu erbringen, soweit diese nicht wegen ihrer Besonderheit notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie sind. Ein Gewinnstreben um jeden Preis, wie es in der Straftat des Klägers zum Ausdruck kommt, steht in einem unauflösbaren Widerspruch zu dem in der Öffentlichkeit vorhandenen und in der Berufsordnung der bayerischen Ärzte vorausgesetzten (vgl. § 2 Abs. 1 und 2 der Berufsordnung) Bild des helfenden Arztes.
16
Vergeblich wendet der Klägerbevollmächtigte gegen die Verhältnismäßigkeit des Approbationswiderrufs des Weiteren ein, dem Kläger sei nur der Tatbestand des unerlaubten Betreibens von Bankgeschäften vorgeworfen worden, wobei die Verurteilung zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von einem Jahr am unteren Ende der Strafzumessung liege. Es trifft zwar zu, dass der Kläger entgegen der Anklage nicht auch wegen Betrugs verurteilt wurde, sondern allein wegen vorsätzlichen Betreibens von Bankgeschäften (Finanzdienstleistungen) ohne die erforderliche Erlaubnis (§ 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG). Die Feststellung, dass sich ein Arzt eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergibt, knüpft jedoch nicht an die Verwirklichung bestimmter Straftatbestände und/oder das Maß der verhängten Strafe an. Der Approbationswiderruf wegen Unwürdigkeit setzt vielmehr allgemein ein schwerwiegendes Fehlverhalten voraus, das geeignet ist, das Vertrauen der Öffentlichkeit in den ärztlichen Berufsstand nachhaltig zu erschüttern, bliebe das Verhalten für den Fortbestand der Approbation folgenlos (BVerwG, B.v. 20.9.2012 - 3 B 7/12 - juris Rn. 4). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, wie das Verwaltungsgericht nachvollziehbar und auch unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens überzeugend begründet hat. Im Übrigen verstieß der Kläger gegen eine zentrale Strafvorschrift des Kreditwesengesetzes; die dafür vom Landgericht Landshut verhängte Strafe liegt auch nicht am unteren Ende des Strafrahmens, der nach § 54 Abs. 1 KWG in der bis 29. April 2011 geltenden Fassung Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren vorsah.
17
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
18
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.